Spurensuche in Lehnin
Im Rahmen der „Lehniner Gespräche“ im Diakonissenhaus Teltow stellte die Spiegel-Journalistin und Buchautorin Susanne Beyer in Lehnin ihr jüngst erschienenes Buch „Kornblumenblau“ vor – und die Lehniner zeigten reges Interesse: der Saal des Altenpflegeheims Lothar-Kreyssig-Haus war bis zum letzten Stuhl besetzt. Beyer beschreibt in ihrem Buch die letzten Lebensjahre ihres Großvaters, der am Ende des zweiten Weltkrieges in Lehnin erschossen wurde. Der Chemiker gehörte zu der Abteilung des Generalbevollmächtigten Chemie (GeBeChem), die sich mit seiner Behörde in den letzten Kriegsjahren auf dem Gelände des ehemaligen Zisterzienserklosters in Lehnin vor den Bombenangriffen auf Berlin in Sicherheit gebracht hatte. Im Buch nähert sich Beyer unter anderem der Frage, woran ihr Großvater konkret gearbeitet hat und warum er nach dem Einmarsch der Roten Armee erschossen wurde. Genaue Antworten kann aber sie nicht immer geben. Denn trotz akribischer Recherche - unter anderem im Archiv des Diakonissenhauses Teltow – konnte sie nicht alle Fragen klären. „Kornblumenblau“ ist daher auch eine Spurensuche, in der Beyer beschreibt, wie sie ausgehend von den Erzählungen über den Großvater, die in ihrer Familie vorhanden waren, aufbricht, um Fakten zusammen zu tragen und das Bild ihres Großvaters immer weiter zu konkretisieren. Ebenso beschreibt sie, wie die Diakonissen in Lehnin sich mit den Chemikern und ihrem Gefolge arrangierten.
Bei der Vorstellung ihres Buches in Lehnin betonte sie, dass sie mit ihrem Buch andere ermuntern möchte, sich ebenfalls auf die Suche nach der Vergangenheit ihrer Großeltern zu machen. Die Deutschen wüssten sehr gut über die deutsche Geschichte im Faschismus Bescheid, wenn es allerdings um die Mitglieder der eigenen Familie zu dieser Zeit gehe, sei das Wissen erheblich dünner.
Damit stieß Susanne Beyer bei ihrem Publikum auf Zustimmung. Die Generation der Kinder sei noch zu befangen gewesen, es sei nun Aufgabe der Enkel, die Lücken in den Familienchroniken zu schließen, so die einhellige Meinung. Ebenfalls rege diskutiert wurde, was das Buch an Erkenntnissen über die Geschichte Lehnins zur fraglichen Zeit erwähnt.
Die Lehniner Gespräche im Diakonissenhaus Teltow sind eine lose Abfolge von Gesprächsrunden, in denen Experten verschiedener Fachrichtungen sowie Politiker oder Wissenschaftler Herausforderungen diskutieren, vor denen der ländliche Raum, aber auch die Gesellschaft insgesamt steht.
Die Gespräche greifen eine alte Tradition auf: Lehnin war seit der Gründung des Klosters durch den Zisterzienserorden im Jahr 1180 ein Ort, von dem aus kulturelle und wirtschaftliche Impulse in die nähere und fernere Umgebung ausgingen. Mit den Lehniner Gesprächen setzt das Diakonissenhaus nun seinerseits ebenso Anregungen und ermöglicht einen Wissenstransfer aus dem Landkreis Potsdam-Mittelmark hinaus.

